Freitag, 09. Juni 2017, 20 Uhr
Iris Drögekamp und Thomas Weber
Kamogawa Delta Intoxication
鴨川 デルタ 中毒
Cut-up Hörstück
Am 09. Juni 2017 sind die Hörspielregisseurin Iris Drögekamp und der Musiker Thomas Weber zu Gast im Neuen Ravensburger Kunstverein. Ihr Cut-up Hörstück Kamogawa Delta Intoxication ist während ihres Artist-in-Residence-Aufenthalts in der Villa Kamogawa, Kyoto, Japan entstanden und wurde 2016 vom SWR produziert. Das Werk ist eine Erzählung aus Bruchstücken, aus akustischen Begegnungen am und um den Fluß Kamo. Rhythmisch montierte Klänge thematisieren Übersetzungsvorgänge und Sprachlosigkeit. Die Ablagerungen eines Flussdeltas sind das Sinnbild für ein System von Schichtungen von Geschichten.
“Everybody’s talking at me
I don’t hear a word they’re saying
Only the echoes of my mind”
~ Everybody’s Talkin, Fred Neil
“We opened up a hole in reality with the cut-ups we used!”
~ Genesis Breyer P-Orridge, in: The Ballad of Genesis and Lady Jaye von Marie Losier
Kamogawa Delta Intoxication ist das Resultat einer Übersetzung, eines Übersetzens von einem Kontinent auf einen anderen. Es ist die Ankunft auf einer Insel, an einem Fluß, an einem Delta. Man ist sprechlos, seine Sprache los, kann die Worte nicht verstehen, die Zeichen nicht lesen. Die Sprachlosigkeit als Ausgangspunkt ist Fluch und Segen. Worte, Geräusche, der Klang der Städte müssen aufgelesen und entziffert werden. Es ist ein Rausch, ein Rauschen, eine Störung und Verstörung des Bewusstseins: Die Übersetzung als Transmission, als Übergang von einem Ufer zum Anderen. Es ist der Abstieg in die Unübersetzbarkeit. Das akustische Gewebe ist eines rhythmischer Differenzierungen und musikalischer Assoziationen.
Kamo no Chōmei schrieb 1212 in Hōjōki (Titel des Werks) über die Vergänglichkeit der Dinge (Japanisch: mujō): „Unaufhörlich fließt der Fluß und doch ist das Wasser nie dasselbe.“ ”The river is a strong brown god!” (T.S. Eliot) Der Fluß ist der Übergang zwischen Oberwelt, dem Geordneten, und Unterwelt, dem Ungeordneten. In einem Flußdelta befinden sich die Ablagerungen, die der Fluß mit sich trägt, bevor er ins Meer mündet. ”Flow river flow, past the shady trees. Go river go, go to the sea, flow to the sea.” (Roger Mc Guinn, Byrds) Der Fluß schiebt sich immer weiter ins Meer hinaus und muss seine eigenen Ablagerungen umfließen. Dabei bleibt es bei einer Unabschließbarkeit – die Geschlossenheit ist das Große, die Unabschließbarkeit ist das Detail! Manche Partikel verschwinden, andere bleiben als Fundament liegen. So entsteht ein System von Schichtungen und Geschichten. Dieses Hörstück ist eine Erzählung aus Bruchstücken, aus eben jenen akustischen Begegnungen am und um den Fluß Kamo. Das Wesen des Stücks ist prozessual, fixiert momenthaft das spontan Flüchtige, das Fließende und das Vieldeutige. ”Be not afeard. The isle is full of noises, sounds, and sweet airs that give delight and hurt not.” (Shakespeare) Dabei werden Geräusch, Gespräch, Musik und Lärm zu Klang-Material. „Sound is the most elusive of senses: place-less, body-less, time-less, an auditory hallucination.” (David Toop)
Field-Recordings sind akustische Kaleidoskope von Zuständen, Affekten, Wahrnehmungen und Absurditäten. Neben unseren eigenen Echos hören wir die improvisierten Melodien der Milane am Flußufer, vorbeifahrende Polizeiautos, die brummenden Klimaanlagen, die verschiedenen Arten von Regen und Wind in den Blättern, die Motorräder auf der Kawabata Dori, die nahe gelegenen U- Bahnstationen und den Delta Blues als spinnwebfeine, transpazifische Verbindung, wenn der Kamo nach der Regenzeit fast so viel Wasser führt wie der Mississippi.
Iris Drögekamp, geboren 1967 in Hagen/Westfalen, lebt als Hörfunk- und Hörspielregisseurin des SWR in Baden-Baden und Hamburg. Daneben realisiert sie eigene Hörstücke und Performances, zahlreiche Auszeichnungen, u. a. erhielt sie mehrmals den »Karl-Sczuka-Preis«. Seit 2007 übt Iris Drögekamp verschiedene Lehraufträge an Kunsthochschulen aus.
Thomas Weber, geboren 1969 in Karlsruhe, lebt in situ. Er produziert, komponiert & improvisiert in akustischen und elektronischen Kontexten. Seit 1996 leitet er das zwischen Jazz, Psychedelia, Improvisation und Ritualismus oszillierende Free-Form Projekt »Kammerflimmer Kollektief«. Außerdem realisiert Weber Hörstücke & Filmmusiken.
2015 waren Weber & Drögekamp Stipendiaten in der Villa Kamogawa des Goethe-Instituts in Kyoto, Japan.
Iris Drögekamp und Thomas Weber
Kamogawa Delta Intoxication
鴨川 デルタ 中毒
Cut-up Hörstück
Mit Yohei Kobayashi & Shie Kubota und Naoki Ishida, Fumiake Onodera & Noriko Sawai
Komposition und Realisation: Iris Drögekamp und Thomas Weber
Produktion: SWR 2016 in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, Villa Kamogawa, Kyoto, Japan
Dauer: 51:04 min
https://soundcloud.com/kammerflimmer
https://soundcloud.com/theschwarzenbach
HERTZ DELUXE
Seit Oktober 2016 gibt es im Neuen Ravensburger Kunstverein immer zum Vollmond eine Veranstaltung der Reihe HERTZ DELUXE. Sie versammelt erlesene Klangexperimente, Sound Art und innovative Hörstücke, kuratiert von Felicitas Wetzel und Robert Huber.
Alle Veranstaltungen im Überblick
Freitag, 09. Juni 2017, 20 Uhr
Iris Drögekamp und Thomas Weber
Kamogawa Delta Intoxikation
Hörspiel
Sonntag, 07. Mai 2017, 19 Uhr
Andrea Kilian und Max Bauer
Die Kunst des Geräuschemachens
Live-Feature im Kulturzentrum Linse
http://www.andreakilian.com
http://www.der-geraeuschemacher.de
Dienstag, 11. April 2017, 20 Uhr
Gunter Pretzel
Grenzfluss
Peltzer-pv plays pure viola
Sonntag, 12. März 2017, 18 Uhr
Jaspar Glaschke
Unerhört! Der Klang eines Mordes
Ein hausgemachter Live-Krimi
Samstag, 11. Februar 2017, 20 Uhr
Bea Stach
Der Geruch des Universums
Akustisches Bilderbuch
http://der-geruch-des-universums.de/
http://www.beastach.de
Donnerstag, 12. Januar 2017, 20 Uhr
Kristof Georgen
Artefakte – Fixierte Improvisation für einen Keller
Mehrkanal Audio-Installation, analog und digital
www.kristof-georgen.de
Mittwoch, 14. Dezember 2016, 20 Uhr
STRWÜÜ
Die Anwesenheit der kleinen Dinge
Sound-Performance
www.strwueue.de
www.swr.de/swr2/hoerspiel-feature/strwueue-das-generativ-des-degenerierten/-/id=661194/did=16810870/nid=661194/6a11g8/index.html
Montag, 14. November 2016, 20 Uhr
Charlotte Höchsmann
One Person´s „Tseep“ Is Another´s „Pseet“
Experimentelles Konzert mit Klavier, Stimme, 4-Spur-Kassettenrekorder, Gebläseorgel u.a.
soundcloud.com/thankyoustreetsound/catharus-guttatus
Sonntag, 16. Oktober 2016, 18 Uhr
Manuela Hartel und Lorenz Schuster
No Weapon Formed Against Me Shall Prosper
Video-Musik-Performance mit Stimme, Live-Elektronik und Sound
www.manuelahartel.de
Hertz Deluxe wird gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg
Neuer Ravensburger Kunstverein
Möttelinstrasse 17
88212 Ravensburg
Übersicht aller Veranstaltungen der Reihe HERTZ DELUXE.
www.facebook.com/NRVK.de/